Stadtmarketing Weimar

Weimar ist Kulturstadt Europas. Schaut man sich die Website der Weimar GmbH an, so gibt es hierzu ausreichende Hinweise und Bezüge. Alleine bei der ersten in Augenscheinnahme des Internetportals stößt man unweigerlich auf Bilder und Begriffe die Weimars Kulturreichtum darstellen. Besonders viele Hinweise finden sich zu aktuellen Kulturveranstaltungen wie dem „Weimarer Sommer“, zu Märkten und Festen und Theateraufführungen.

Weimar ist Klassik. Sie ist die Stadt der großen Dichter Goethe und Schiller. Der Verweis auf diese fehlt ebenso wenig, wie Hinweise auf die Verbindung zum Bauhaus, zur Weimarer Klassik, zur Gedenkstätte Buchenwald oder zum Schloss Ettersburg. In den drei von insgesamt vier Hauptrubriken des bereits genannten Webportals (Stadt, Tourismus, Leben in Weimar) finden sich Hinweise zum kulturellen Reichtum der Stadt. Jeder einzelne ist mit bestimmten Erinnerungsorten in Weimar verknüpft, sodass sehr starke Bilder produziert werden. Daneben lassen sich weitere, eher praktische Informationen zu aktuellen Stadtmeldungen, zur Verwaltung, zum Klimaschutz, sozialen Themen und vielem mehr finden.

Weimar ist deutsche Kulturgeschichte. Zumindest wird die Stadt auf der Website dahingehend propagiert. Die ca. drei Millionen Touristen im Jahr, die nicht nur aus Deutschland sondern eben auch aus anderen Europäischen Ländern dorthin reisen, um sich geschichtsträchtige Gebäude anzuschauen wie das Deutsche Nationaltheater, in dem 1919 die Weimarer Republik ausgerufen wurde, scheinen dieses Statement des Stadtmarketings zu legitimieren. Es sieht ein wenig so aus, als sei die Identität Weimars völlig abgeklärt und eher einseitig. Dadurch stellt sich die Frage, ob nicht eventuell noch mehr in dieser Stadt steckt, als dieses doch recht biedere, gutbürgerliche und fast ausschließlich auf Kultur ausgelegte Image.

Im Folgenden werden das Marketing und die Imagepolitik Weimars unter bestimmten Fragestellungen beleuchtet: Welches Bild der Stadt Weimar wird produziert? Welche wichtigen, die Stadt prägenden, Aspekte werden dabei ausgelassen? Inwiefern wird die Weimarer Subkultur berücksichtigt? Welchen Eindruck hinterlässt die Stadt tatsächlich auf Touristen bzw. historische Urbanisten? Funktioniert das Stadtmarketing über Weimar und die Region hinaus? Wird Weimar heute als Wirtschaftsstandort wahrgenommen? Inwiefern hat das Konzept der Impulsregion Erfurt-Weimar-Jena Einfluss auf die Marke Weimar, beziehungsweise steht es eventuell in Wiederspruch zu ihr?

Es ist der Versuch auf der einen Seite die Imagepolitik der Stadt verständlich zu machen und kritisch zu hinterfragen, gleichzeitig auf der anderen Seite Bereiche sichtbar zu machen die zum Teil völlig unter den Tisch fallen, weil diese schlecht vermarktet werden können oder nicht zu dem vorgegebenen Bild Weimars passen. Nur so kann ein gelebtes Bild Weimars entstehen, welches die verschiedenen Facetten der Stadt widerspiegelt.

Wie bereits am Anfang hervorgehoben, befinden sich auf der Website der Weimar GmbH sehr viele Informationen zu Weimar als Kulturstadt und als geschichtsträchtigen Ort. Damit unterstützt die offizielle Internetseite der Stadt das Bild, welches viele Menschen von Weimar im Kopf haben. Befragt man sowohl Personen die bereits einmal in Weimar waren, als auch Personen, welche die Stadt noch nicht besichtigt haben, so lassen sich parallele Ideen zur Stadt finden. Oft beinhaltet das angegebene Image Themen wie Kultur, Stadt von Goethe und Schiller, kleine Stadt in Thüringen oder die Verknüpfung zur Zeit des Nationalsozialismus.

Eine weitere wichtige Rubrik auf der Homepage der Weimar GmbH bildet der Bereich „Wirtschaft“. Weimar wird hier als Wirtschaftsstandort dargestellt, mit teilweise langer Tradition in bestimmten Branchen wie dem industriellen Maschinenbau. Großes Plus der Stadt sei ihr Status als „dynamischste[n] Wirtschaftsregion Thüringens“[1]. Auch die regionale Kooperation „Impulsregion Erfurt, Weimar, Jena“ findet hier Erwähnung. Besonders auffällig ist der Filmclip zum Wirtschaftsstandort Weimar[2], welcher wieder hauptsächlich mit dem Image der Kulturstadt Weimar spielt und keine konkreteren Angaben machen kann, warum gerade die Stadt Weimar als Wirtschaftsstandort interessant wäre. Weimar als wichtiger Wirtschaftsstandort wird meist nicht wahrgenommen. Vor Ort bestätigen sich diese Eindrücke. Werbung und Souvenirläden zu Goethe und Schiller lassen sich vom Bahnhof bis zur Innenstadt fast überall finden, und nimmt man sich einmal die Zeit die nähere Umgebung zu erkunden, so wird schnell klar, wie nah die Stadt am ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald gelegen ist.

Um über die Imagepolitik der Stadt mehr zu erfahren, beinhaltete die Exkursion ein Treffen mit Herrn Schmidt von der Weimar GmbH. Auch hier bestätigten sich viele Eindrücke die man vorab beispielsweise über die Website sammeln konnte. Wie Schmidt darlegte gehören zu den Hauptthemen die vom Stadtmarketing angegangen werden, die Bereiche Klassik, Musikgeschichte, Bauhaus, Nationalversammlung von 1919 und die Gedenkstätte Buchenwald. Wichtig sei es laut Schmidt den Spagat zwischen Klassik und NS-Zeit im Stadtmarketing zu schaffen. Probleme sah er in der Erwartungshaltung vieler Weimarbesucher. So hätten viele Menschen zumeist höhere Assoziationen als einer Stadtgröße von 65.000 Einwohnern tatsächlich angemessen seien, weshalb Weimar beispielsweise im Bereich Nahverkehr von Touristen schlecht bewertet wird. Interessant war es zu erfahren, dass Weimar die zweitjüngste Stadt Thüringens ist, bei steigender Geburtenrate und Einwohnerzahl. Diesen Faktor näher mit in das Stadtmarketing einzubeziehen wäre sicherlich nützlich. Zwar ist Weimar auch Universitätsstadt und wird neben Klassik und NS-Zeit als diese wahrgenommen. Dennoch wäre es für Weimar als wachsender Wirtschaftsstandort sicherlich vorteilhaft, sich als eine junge Stadt zu präsentieren, die neben Studenten der Musik, Medienwissenschaft und Design, auch in Zukunft Fachkräfte in weiteren Branchen bieten kann.

Wie bereits am Anfang in der Beschreibung der Website angegeben, präsentiert sich die Stadt Weimar als Wirtschaftsstandort in der Mitte Deutschlands, der vor allem durch eine gute Infrastruktur Vorteile bietet. Im Gespräch mit Herrn Schmidt zeigte sich jedoch, dass das Wirtschaftsmarketing der Stadt eine zumindest eher untergeordnetere Rolle spielt, bei der die Zuständigkeit noch nicht eindeutig geregelt sei. Denn obwohl das Stadtmarketing vorrangig bei der Weimar GmbH als Tochtergesellschaft der Stadt liegt, wird das Wirtschaftsmarketing von der Stadt übernommen, obwohl diese die Nachfrage laut Schmidt nicht ganz befriedigen kann. Dies wirkt eher unverständlich, da zum einen Weimar als sich erfolgreich entwickelnder Wirtschaftsstandort online dargestellt wird, und zum anderen tatsächlich einige gute Voraussetzungen für eine sich entwickelnde Wirtschaft vorhanden sind (gute infrastrukturelle Lage, Tagungsstandort Weimarhalle, Vernetzung mit Erfurt und Jena).

Auf diesen Punkt bezogen, wird es interessant sein zu sehen, ob sich das Stadtmarketing Weimars in den nächsten Jahren, auf Grund der Impulsregion Erfurt-Weimar-Jena, möglicherweise verändert. Das Konzept soll laut Herrn Dr. Bartsch die Metropolregion der drei Städte miteinander Vernetzen und Strukturschwächen aufbrechen. Inwiefern die Umsetzung dieses Vorhabens gelingt, muss sich erst noch zeigen. Anscheinend wird innerhalb des Konzepts weniger Wert auf die individuellen Charaktere der Städte gelegt, als vielmehr deren jeweiligen Beiträge für die Region hervorgehoben. Im Falle Weimars wäre dies unter anderem die Weimarhalle als Tagungsstätte. Sowohl Herr Dr. Bartsch von der Initiative Impulsregion, als auch Herr Schmidt sahen die Impulsregion nicht in problematischen Gegensatz zur Marke Weimar stehen. Die Marke Weimar sei an sich gefestigt. Eine zweite Vermarktung der Stadt Weimar, jenseits des Fokus als Kulturstadt Europas, wird sicherlich eine Chance darstellen, ob sich daraus auch Probleme ergeben könnten (dass sich beispielsweise der Fokus etwas mehr auf eine der beiden anderen Städte verschiebt, zu Ungunsten des Weimarer Tourismus), muss sich erst noch zeigen.

Im Verlauf des Gesprächs kristallisierte sich heraus, dass die Marke Weimar ein Image ist, das vor allem das ältere Bildungsbürgertum anspricht. Wie Schmidt darlegte wäre es nicht möglich eine Marke für alle zu schaffen. Das ist sicherlich richtig und da das Image der Stadt Weimar als Kulturstadt Europas funktioniert und steigende Besucherzahlen schafft, ist es auch ein Konzept an dem festgehalten werden sollte.

Trotzdem kann man dieses Image auch erweitern, um eine breitere Masse an Touristen nach Weimar zu locken und vor allem auch, um dem gegenwärtigen Weimar gerecht zu werden. Denn wie bereits dargelegt handelt es sich bei Weimar um eine, an der Bevölkerung gemessen, recht junge Stadt. Und diese hat eine eigene Subkultur jenseits von Klassik und NS-Zeit, wie sich im Laufe der Exkursion immer wieder zeigte. Eine Subkultur die auch den Kontakt zu den Bewohnern der Stadt sucht und mit ihnen zusammenarbeiten möchte, wie es beispielsweise bei der Transition-Town-Initiative „Weimar im Wandel“ der Fall ist. Darüber hinaus muss der jüngeren Bevölkerung der Stadt Aufmerksamkeit geschenkt werden, wenn sie den zunehmenden Anteil der Ortsansässigen bildet. Projekte wie der Skate Park am Rande von Weimar/ Nord müssten auch öffentlich mehr gefördert werden und Beachtung erhalten, gerade da sie aus der Initiative von jungen Weimarern heraus entstehen und anderen Jugendlichen, welche sonst in den rechtsradikalen oder kriminellen Bereich abrutschen könnten, einen Orientierungspunkt geben können. Denn Weimar hat auch heute noch stark mit der Neo-Nazi-Szene zu kämpfen wie eine ehemalige Streetworkerin, mit der sich die Exkursionsgruppe ebenfalls getroffen hat, berichtete.

Eine weitere Problematik ergibt sich im Bereich der Wahrnehmung des Stadtmarketings über die Grenzen Weimars hinaus. Innerhalb der Exkursionsgruppe wurden Marketingkampagnen außerhalb Weimars nur teilweise wahrgenommen, dabei sind sie durchaus vorhanden und lassen sich beispielsweise in Plakatform an Berliner Bahnhöfen finden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Stadt Weimar ihr eigenes Image zu vermarkten weiß. Weimar als Kulturstadt zwischen Klassik und Nationalsozialistischem Erbe ist fest verankert in den Köpfen der meisten Besucher. Es ist auch das Bild das vor Ort als erstes bestätigt wird. Sowohl Stadtführungen zur NS-Vergangenheit tragen dazu bei, als auch die vielen Reproduktionen der Goethe und Schiller Statue vor Ort. Die Marke Weimar ist eine Imagepolitik die funktioniert und Weimar viele Touristen sichert, sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Ländern. Was sie nicht ist, ist ein Image das dem Weimar der Gegenwart gerecht wird. Natürlich ist es Aufgabe des Marketings die Stadt im positiven Sinne zu vermarkten und mögliche Probleme einer Stadt nicht in den Vordergrund zu stellen. Trotzdem vernachlässigt das von der Weimar GmbH produzierte Image wichtige Aspekte die auch zur Kultur der Stadt beitragen oder eine Chance für die zukünftige Entwicklung darstellen. Eine junge Stadt zu sein bedeutet in Deutschland gegen den Strom des demografischen Wandels zu schwimmen und ein Ort potenzieller Arbeitskräfte zu sein. Junge Menschen mehr in das Stadtimage einzubeziehen heißt nicht eine funktionierende Imagepolitik der Marke Weimar für eine ältere Generation aufgeben, sondern sie um einen weiteren Aspekt erweitern. Daneben wäre es auch wichtig das Wirtschaftsmarketing aus der Findungsphase heraus zu lösen und besser zu koordinieren. Eine spezifischere Werbung mit dem Fokus auf wenige wichtige Aspekte, die den Standort Weimar auszeichnen, wäre hier wünschenswert. Auch um an die Impulsregion Erfurt-Weimar-Jena in den nächsten Jahren tatsächlich anknüpfen zu können.

[1] http://www.weimar.de/wirtschaft/standort-weimar/ (zuletzt 04.08.14)

[2] http://www.weimar.de/wirtschaft/service/downloads/weimar-film/ (zuletzt 04.08.14)

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